Seit den 1850er Jahren entwickelte sich die Carte de Visite zum Bestseller der Atelierfotografen: So reduzierte sich ihr Preis im Laufe der Jahre stetig, aber auch ihre – im Gegensatz zu den teuren Daguerreotypien – Reproduzierbarkeit nach Bedarf machte sie auch für ein breites Publikum ausserhalb des Bürgertums, für die Arbeiterschaft oder Landbevölkerung, attraktiv und so zum beliebten Massenmedium des 19. Jahrhunderts.
Die beliebten Carte de Visite wurden häufig im Dutzend produziert, so dass die Porträtierten diese gerne verschenkten: Porträts von Familienmitgliedern, Verwandten, aus dem Freundeskreis und von Bekannten finden sich in den ebenfalls seit den 1860er Jahren bekannten Sammelalben. Mehrere Carte de Visite-Fotografien – teilweise ergänzt mit den grösseren und exklusiveren, da teureren Kabinettkarten – präsentieren sich jeweils auf einer Seite dieser Einsteckalben. Die goldumrahmten Kulissen-Fenster verstärken dabei den Eindruck eines gemalten Porträts resp. einer ganzen Gemäldegalerie.
Unser Sammelalbum stammt aus dem Besitz der Rheinfelder Familie Schmid-Hodel und wurde von Maria Antonia Theresia Schmid-Hodel (1872–1948), der Mutter der Schenkerin, vor der Jahrhundertwende angelegt. Marie ist die Tochter des Zuckerbäckers und Stadtkassiers Franz Joseph Hodel (1833–1906) und der Maria Theresia Bröchin (1842-1896); sie heiratete 1900 den späteren Stadtförster und Geometer Alois Schmid (1859–1928).
Marie Hodel sammelte und vereinte in ihrem Album insgesamt 40 Einzelporträts und Doppelbildnisse sowie einige wenige Gruppenaufnahmen aus Verwandtschaft und Bekanntenkreis – selbstverständlich findet sich auch Alois Schmid in schneidiger Uniform, im attraktiven Dreiviertelprofil und im Kabinettformat. Fein säuberlich beschriftet geben sie uns auch heute noch Auskunft über das soziale Umfeld der Albumanlegerin. Auch bildet das Einsteckalbum einen Einblick in die Rheinfelder Einwohnerschaft kurz vor 1900 – und transportiert zugleich die Selbstinszenierung der Porträtierten in der Fotografie, ihr Bild und Gesellschaftsverständnis ins Heute.
Zwischen 1890 und 1900
FMR J.279